Ursprünglich als Gesamtwerk mit den Très Belles Heures de Notre-Dame vom Herzog von Berry in Auftrag gegeben, wirkten ab 1380 über 70 Jahre lang verschiedenste Künstler an der Illumination der Handschrift, so dass hier unterschiedlichste Malstile der spätmittelalterlichen Bildkunst vertreten sind.
Mit Miniaturen Von Jan Van Eyck
Monument europäischer Kunstgeschichte
Das Turin-Mailänder Stundenbuch wurde über eine Zeitspanne von mehr als einem halben Jahrhundert für eine Reihe von Auftraggebern in zwei der führenden Kunstlandschaften diesseits der Alpen produziert – es ist somit eine wahre Schatzkammer von Malstilen.
Aus einer Epoche weitreichender künstlerischer Umwälzungen sind hier die jeweils fortschrittlichsten Tendenzen Frankreichs und der Niederlande vertreten. Einige der Miniaturen zählen zu den schönsten Zeugnissen der spätgotischen Malerei in Frankreich, während andere einen revolutionären, illusionistischen Stil aufweisen.
Diese letzteren wurden als Grundsteine der Frühgeschichte der altniederländischen Malerei gefeiert und sind untrennbar mit einem Namen verbunden: Jan van Eyck.
Einzige Buchmalerei des großen Jan van Eyck
Im Turin-Mailänder Stundenbuch finden wir sowohl die frühesten als auch die spätesten heute bekannten Werke des Genies Jan van Eyck.
Sie zeigen die erstaunliche Fähigkeit des Künstlers, mit Hilfe des Lichts den Räumen des Alltags eine höhere Bedeutung zu verleihen. Er war auch der erste, der es verstand, wirklichkeitsgetreue Porträts zu schaffen. Darüber hinaus führte er die Malerei zu einer mikroskopisch exakten Wiedergabe der Realität. Jan van Eycks Miniaturen dokumentieren diesen Reichtum an neuen Techniken.
Was dieser Ausnahmekünstler schon früh geschaffen hatte, ist vor ihm niemals und nach ihm nur von den Größten in dieser Perfektion erreicht worden. Somit ist das Turin-Mailänder Stundenbuch ein unersetzbares Dokument der Kunstgeschichte.
Am Anfang stand ein Monumentalprojekt
Das Turin-Mailänder Stundenbuch wurde in einem Zeitraum von 70 Jahren geschaffen. Ab 1380 waren es die höchsten Adeligen jener Zeit und ihre Hofmaler, die sich der Handschrift annahmen.
Denn am Anfang stand ein äußerst ehrgeiziges Projekt für eine Bilderhandschrift monumentalen Umfangs. Hier haben wir es mit dem letzten Teil dieses Manuskripts zu tun, das heute offiziell als Heures de Turin-Milan bezeichnet wird.
Das Werk gab der Herzog von Berry in Auftrag, vermutlich noch vor der Wende zum 15. Jahrhundert. Für die erste Malkampagne war der Meister des Paraments verantwortlich. Er entwarf die Anordnung der Seiten, machte grundlegende Vorzeichnungen und vollendete selbst mehrere der Hauptminiaturen. 1405 veranlasste der Herzog eine weitere Kampagne unter der Leitung des Meisters Johannes des Täufers. Die Handschrift war allerdings beim Tod des Herzogs von Berry im Jahre 1416 noch unvollendet und wurde in den Jahren danach in zwei Teile aufgeteilt.
Spannende und wechselvolle Geschichte
Das eigentliche Stundenbuch, die Très Belles Heures de Notre-Dame, gelangte in den Besitz von Robinet d’Estampes; der zweite Teil bestand aus den 1904 verbrannten Heures de Turin, deren Überreste, nur vier Blätter, heute im Louvre aufbewahrt werden (siehe Die Blätter im Louvre), und schließlich aus dem Messbuch, unserem Turin-Mailänder Stundenbuch.
Das im 15. Jahrhundert noch nicht getrennte Werk ging als Erbe an den Grafen Johann von Holland. Dieser beauftragte um 1424 den jungen Jan van Eyck, die Handschrift weiter auszumalen. Auch diesmal wurde sie nicht vollendet. Jan van Eyck und mit ihm die Handschrift kamen dann an den Hof Philipps von Burgund, wo der Meister eine zweite Kampagne zur Vollendung der Handschrift einleitete, die aber durch seinen Tod 1441 unterbrochen wurde. Wohl um dem Künstler ein Denkmal zu setzen, ließ Philipp von Burgund das Gebet- und Messbuch durch einen weiteren flämischen Maler, der in der Tradition van Eycks stand, vollenden.
Das weitere Schicksal der Handschrift liegt im Dunkeln. Eine weitere Aufteilung erfolgte vermutlich im 16. Jahrhundert. Das Turin-Mailänder Stundenbuch gelangte über die Grafen von Aglié zu den Fürsten von Trivulzio, die sie 1935 dem Museo Civico in Turin überließen.
Eines der aufregendsten Bücher des Mittelalters
Die Bedeutung des Werks liegt vor allem im Umstand, dass viele der wichtigsten Impulse, welche auf die Bildkünste des Spätmittelalters einwirken sollten, darin parallel, in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander, entwickelt wurden.
Die Vermutung liegt nahe, dass die an der Herstellung Beteiligten sich der einzigartigen Bedeutung des Werkes bewusst waren, scheuten sie doch keine künstlerischen Wagnisse, um jene Wirkung zu erreichen, die noch den heutigen Betrachter in ihren Bann zieht.
Die Faksimile-Edition
Das Turin-Mailänder Stundenbuch erscheint in einer einmaligen, weltweit auf 980 Exemplare limitierten Auflage. Unter Einsatz von hochqualifizierter Handarbeit nach mittelalterlichem Vorbild und modernsten technischen Verfahren entstand eine Bilderhandschrift, die selbst höchsten Ansprüchen gerecht wird. Jede der 252 Seiten im Format von 28,4 x 20,3 cm wird bis ins kleinste Detail originalgetreu wiedergegeben, die 28 farbintensiven Miniaturseiten sowie die Textseiten in lateinischer Sprache. Der Einband besteht aus grünem Samt und ist mit einer feinen Goldprägung geschmückt. Das Kapital wurde handumstochen.
Der Kommentarband
Der wissenschaftliche Kommentarband, der Schlüssel zum Werk, bietet die Ergebnisse der aktuellen Untersuchungen anlässlich der Faksimilierung der Handschrift. Folgende internationalen Experten waren daran beteiligt: Prof. Dr. James H. Marrow, Princeton University, New Jersey, Dr. Silvana Pettenati, Direktorin des Museo Civico d’Arte Antica Torino, und Prof. Dr. Anne H. Buren, Tufts University, Boston, Massachusetts. Zusätzlich enthält der Kommentarband sämtliche Miniaturen der ursprünglichen Monumentalhandschrift in einem Schwarzweiß-Bildteil mit ausführlichen Bildbeschreibungen.
Faksimile und Kommentarband werden in einer schützenden Acrylglas-Kassette geliefert.