Stundenbuch der Sforza

Von einem italienischen Buchmaler für die Herzogin von Mailand Bona Sforza um 1486 begonnen und von einem flämischen im 16. Jahrhundert fertig gestellt, ist der Codex eine kunsthistorische Rarität. Farbigkeit und Ausdruckskraft der prächtigen Miniaturen machen ihn zu einem der Meisterwerke der Renaissance.

Fol. 136/37 (Bd.2) links: Der Einzug Christi in Jerusalem, G.Horenbout; Rechts Judas erhandelt sich 30 Silberlinge, G. Birago.
Fol. 136/37 (Bd.2) links: Der Einzug Christi in Jerusalem, G.Horenbout; Rechts Judas erhandelt sich 30 Silberlinge, G. Birago.

Eine Prachthanschrift Der Renaissance

Ein Monumentalwerk der Renaissance

Das Stundenbuch der Sforza ist eines der Meisterwerke der Renaissance und war in Bezug auf Farbigkeit und Ausdruckskraft vorbildhaft. Prächtige Miniaturen und goldverzierte Bordüren dokumentieren lebhaft die Stimmung und die Gefühle der Renaissance.

Das Stundenbuch ist eine kunsthistorische Rarität, weil es ein Hauptwerk zweier Buchmaler ist, die in zwei verschiedenen Ländern wirkten und einander wohl nie begegnet sind.

Eine Geschichte wie ein Krimi

Nur aufgrund von Wappen und Inschriften im Stundenbuch konnte die ursprüngliche Besitzerin der Handschrift festgestellt werden: es handelt sich um Bona Sforza, die Gemahlin Galeazzo Maria Sforzas, der von 1466 bis 1476 Herzog von Mailand war.

Einen ersten schriftlichen Beleg für die Handschrift findet sich in einem Brief, den der Mailänder Buchmaler Giovan Pietro Birago an einen unbekannten Adeligen richtete und in dem er schreibt, ihm seien von einem Bettelmönch Teile eines unvollendeten Stundenbuchs gestohlen worden. Diese gestohlenen Blätter, ungefähr ein Drittel der gesamten Handschrift, sind nie mehr aufgetaucht.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts ging die noch immer unfertige Handschrift auf Erbwegen an Margarethe von Österreich, die für ihren minderjährigen Neffen, den späteren Kaiser Karl V., die Regierungsgeschäfte führte. Erst um 1520 wurden die fehlenden Seiten illuminiert, und zwar von keinem Geringeren als vom Hofmaler Gerard Horenbout.

Die weitere Geschichte bis zum Jahr 1871 liegt im Dunkeln. Zu dieser Zeit verkaufte ein unbekannter spanischer Grande durch einen Vermittler das Werk dem englischen Konservator Sir John Charles Robinson, von dem es wiederum der englische Sammler John Malcolm von Poltalloch erwarb. Dieser zerlegte die bis dahin einbändige Handschrift und ließ sie in vier Teile binden. 1893 schließlich schenkte Malcolm die Handschrift dem British Museum.

Stundenbuch der Sforza - Faksimile
Stundenbuch der Sforza – Faksimile

Der italienische Teil – Giovan Pietro Birago

Birago stammte vermutlich aus Mailand und wurde um 1450 geboren. Bereits ab etwa 1470 malte er als selbständiger Meister. In den achtziger Jahren war er für die führenden venezianischen Familien tätig, bevor er um 1490 in die Dienste der Sforza in Mailand trat.

Mit der Arbeit am Stundenbuch begann er vermutlich um 1486/90, gab das Projekt jedoch 1495 auf, kurz bevor Bona Mailand verließ. In dem angesprochenen Brief schreibt Birago, dass die Handschrift 500 Dukaten wert sei also etwa fünfmal soviel wie die Madonna in der Felsengrotte von Leonardo da Vinci! Man sieht also, dass es sich um eine Arbeit von großer Bedeutung gehandelt hat, die auch durch ihren hohen künstlerischen Wert besticht. Um 1513 dürfte Birago gestorben sein.

Der Text des italienischen Teils wurde vermutlich von einer Hand geschrieben. Die am Rand dargestellten Bilder illustrieren entweder den entsprechenden Teil des Buches oder kommentieren eine danebenstehende Zeile. Birago verstand es meisterhaft, die Stimmungen der Menschen auf ihren Gesichtern wiederzugeben. Die farbige Gestaltung seiner Miniaturen betont diese Ausdruckskraft zusätzlich.

Der flämische Teil – Gerard Horenbout

Bei den sechzehn flämischen Miniaturen und den zwei Bordüren handelt es sich um die einzigen durch Dokumente gesicherten Arbeiten des Genter Buchmalers Gerard Horenbout. Er war seit 1487 in Gent als Buchmaler tätig. 1515 wird er Hofmaler der Margarethe von Österreich.

Nur aus einer Rechnung des Meisters geht hervor, dass er vor 1521 mit der Vollendung eines Stundenbuches beschäftigt war. Danach schweigen die Quellen über ihn für einige Jahre, bis er 1528 im Umkreis des englischen Königs, in dessen Diensten er bis zu seinem Tod im Jahre 1544 stand, wieder auftaucht. Horenbouts Illuminationen bestechen durch ihre Detailtreue, unverkennbar mit italianisierendem Einschlag. Zum einen wurde er damit einem Malstil gerecht, der damals in Flandern Mode war, zum anderen hat er sicher auch versucht, den Stil Biragos nachzuempfinden.

Fol.10v: Der Evangelist Markus beim Schreiben; G. Horenbout.
Fol.10v: Der Evangelist Markus beim Schreiben; G. Horenbout.

 

Die Faksimile-Edition

Die Faksimile-Edition erscheint, ganz dem Original entsprechend, in Form der vier Bände im Format von 13,1 x 9,3 cm in einer Auflage von 980 numerierten Exemplaren, die einzeln oder zusammen bezogen werden können.

95 Exemplare wurden für eine einbändige, in einer Schmuckkassette präsentierten Ausgabe des Gesamtwerks reserviert. Das Gesamtwerk zeigt auf 696 Seiten über 200 Miniaturseiten. Dazu gehört eine Pracht-Schmuckkassette aus Sterlingsilber mit 30 Edelsteinen.

Das Erste Buch umfasst 80 Seiten mit 44 Miniaturseiten, das Zweite Buch reicht über 252 Seiten mit 65 Miniaturseiten, das Dritte Buch umfasst 168 Seiten mit 44 Miniaturen, und das Vierte Buch beinhaltet 186 Seiten mit 50 Miniaturen. Die Einzelbände werden in einer mit rotem Velours bezogenen Kassette aufbewahrt.

Der Kommentarband

Der wissenschaftliche Kommentarband reicht über 860 Seiten. Folgende Experten untersuchten die Handschrift: Mark Evans, National Museum of Wales, Dr. Bodo Brinkmann, Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main, und Dr. Hubert Herkommer.

Fol. 13r: Beginn der Kreuz-Horen. Pelikan als Symbol für das Opfer Christi in Anbetung. Isaak mit Fackel und Feuerholz. Abrahams geplante Opferung seines Sohnes präfigu­rierte diejenige Christi.
Fol. 13r: Beginn der Kreuz-Horen. Pelikan als Symbol für das Opfer Christi in Anbetung. Isaak mit Fackel und Feuerholz. Abrahams geplante Opferung seines Sohnes präfigu­rierte diejenige Christi.