Der Lyoneser Dichter Pierre Sala umwarb mit diesem Bändchen, einem der persönlichsten Renaissance-Manuskripte überhaupt, seine spätere Gemahlin Marguerite Bullioud. Den feinsinnigen Miniaturen stehen Verse über die Liebe, Weisheit oder auch Erfolg gegenüber.
Ein Liebesbekenntnis der Renaissance
In den Sammlungen der British Library befindet sich eines der persönlichsten und intimsten Renaissance-Manuskripte überhaupt. Es war dies ein Geschenk des Lyoneser Dichters Pierre Sala an Marguerite Bullioud, die später seine Frau werden sollte. Dieses Bändchen ist eine Botschaft der Liebe, eine feinsinnige Auswahl von Miniaturen von Versen umrankt.
Es ist eines jener Schmuckstücke, welche die Männer im 15. und 16. Jahrhundert bisweilen der Dame ihres Herzens widmeten und von denen nicht allzu viele erhalten geblieben sind. Der Inhalt des Büchleins entzückt den Betrachter ebenso wie den wissbegierigen Leser, denn die Texte, teils in Versen, teils in Prosa abgefasst, sind voller Zauber und Geheimnisse. Die Bilder künden von der Liebe Salas zur Auserwählten.
Pierre Sala – ein »Romantiker« der Renaissance
Auf literarischem Gebiet ist der Geber des kleinen Bandes nicht ganz unbekannt. Pierre Sala wurde vor 1457 als Sohn eines Händlers in Lyon geboren, er gehörte einer alten und wohlhabenden Familie des Lyoneser Bürgertums an. Um 1480 bereits trat er in die Dienste des französischen Königshauses, wo er zunächst dem späteren Karl VII. diente.
Er unternahm viele Reisen, die ihn sogar ins Osmanische Reich führten. Unter Ludwig XII. und Franz I. war er Kammerdiener und Schildknappe. Anfang des 15. Jahrhunderts hielt er sich immer häufiger in seiner Heimatstadt Lyon auf, wo er sich 1514 niederließ. 1522 wurde er auf seinem Landsitz sogar von König Franz I. besucht, was ihn mit besonderem Stolz erfüllte. 1529 schließlich starb Pierre Sala.
Das Kleine Buch der Liebe
Während Sala noch um Marguerite warb, also vor der Eheschließung, schenkte er ihr das Büchlein. Der genaue Zeitpunkt lässt sich allerdings kaum mehr bestimmen. Vermutlich liegt er aber zwischen 1500 und 1519, denn spätestens in diesem letzteren Jahr hat die Heirat stattgefunden.
Das Werk beginnt mit einer Widmung, in der die Beziehung zwischen dem Autor und der Auserwählten beschrieben wird. Das höfische Werben wird durch alle möglichen Formulierungen zum Ausdruck gebracht und gesteigert bis zum Höhepunkt: der Überreichung eines kleinen Buches, in dem Malerei und Schrift miteinander verbunden werden, um dem Abwesenden Präsenz zu verleihen.
Auf diesem Weg gelingt es Sala, den Blick seiner Angebeteten auf sich zu lenken und einen Platz in ihrem Herzen zu gewinnen. Die galante Rhetorik vermittelt etwas ganz Persönliches in einer absoluten und respektvollen Liebe, die selbst als unerfüllte zu beglücken vermag und dabei stets auf Erwiderung hofft.
Liebe und Moral
Der Hauptteil des Werkes setzt sich aus zwölf Ikonologen zusammen, die eine Einheit aus Bild und Text bilden. Fünf davon weisen einen Bezug zur Liebesthematik auf; die anderen beschäftigen sich mit moralischen Fragen, etwa Weisheit und Torheit, Lüge, Erfolg und Gunst.
Mit seiner leicht satirischen Färbung und verhaltenen Resignation zeugt das Werk in manchen Passagen von einer nicht sehr optimistischen Einschätzung der Welt oder der Gesellschaft.
Es gibt keinen bestimmten Leitgedanken, der sich durch alle Passagen zieht oder zumindest von einem Ikonolog zum nächsten führt. Fraglich bleibt zudem, wie Sala die Werke kennenlernte, die als Quellen für sein Bändchen gedient haben.
Auf jeden Fall legt das Werk eine Originalität an den Tag, die auf den vielfältigen Bezügen zwischen Bild und Text beruht und sich nicht nur auf Illustration oder Kommentar beschränkt.
Die Bilder – Glanzstücke französischer Hofkunst
Die Bildseiten wurden alle mit einem einheitlichen rechteckigen Rahmen versehen. Die linke Seite des geöffneten Buchs enthält den Text und die rechte jeweils eine Miniatur. Jedes Rechteck ist goldumsäumt, mit einer Quaste an jeder Ecke, ähnlich der Einfassung eines Kissenbezugs. Der Text steht auf einem goldenen Grund, der so gemalt ist, dass der Eindruck eines Blattes Papier entsteht. Der Illustrator der Bilder ist der Meister der Chronique scandaleuse, der zwischen 1493 und 1510 in Paris gewirkt hat. Die liebevoll gemalten Miniaturen ergänzen das Werk zu einem aufschlussreichen, lebendigen Zeitzeugen des ausgehenden Mittelalters.
Die Faksimile-Edition
Der Faksimileband umfasst insgesamt 40 Seiten im Format von 13,0 x 10,0 cm. 12 Miniaturen ergänzen Salas Gedichte, daran schließen sich 17 Seiten im Format von 12,0 x 10,0 cm mit der Transkription der Texte von einer französischen Hand des 18. Jahrhunderts an.
Der Band hat an allen Seiten Goldschnitt und ist in braunem Samt gebunden. Die Vorzugsausgabe umfasst ein exklusives ledernes Buchfutteral mit goldenen Schmuckprägungen und ist auf 290 numerierte Exemplare limitiert. Die Normalausgabe wird in einem dekorativen Schuber geliefert und ist auf 690 numerierte Exemplare limitiert.
Der Kommentarband
Der Kommentarband in drei Sprachen (deutsch/französisch/englisch) enthält ausführliche Beiträge zur Handschrift und ihrem historischen und kunsthistorischen Umfeld. Er ist der Schlüssel zum Werk, der es auch noch nach Jahrhunderten ermöglicht, das Büchlein des Pierre Sala zu erschließen. Folgende Experten haben das Bändchen genauestens untersucht: Janet Backhouse, Curator of Illuminated Manuscripts der British Library, und Prof. Dr. Yves Giraud, Professor an der Universität Freiburg i.Ü.