Das einzig erhaltene Königsgebetbuch aus ottonischer Zeit stellt ein Buchdenkmal allerhöchsten Ranges dar. Ganz in Gold auf Purpurgrund geschrieben, diente der Codex Aureus dem kindlichen König als geistiger Leitfaden.
Das einzige Königsgebetbuch aus ottonischer Zeit
»Nimm an, erhabener König der Könige, dieses bescheidene, aber unserer Verehrung für Euch würdige Büchlein, das ich mit Gold geschrieben und mit verschiedenen Bildern ausgestattet habe.« – Mit dieser Widmung wird dem späteren Kaiser Otto III. eine kleine, aber kostbare Bilderhandschrift überreicht. Es ist das Königsgebetbuch für Otto III., das einzige erhaltene Gebetbuch für einen Herrscher aus der Zeit der Ottonenkaiser vor rund tausend Jahren.
Ein privates Gebetbuch als Codex Aureus
Das heute in der Bayerischen Staatsbibliothek verwahrte Königsgebetbuch für Otto III. ist ein Geschichts-, Kultur- und Buchdenkmal allerhöchsten Ranges: Als privates Gebetbuch für einen König des Frühmittelalters stellt es eine absolute Rarität dar. Das bibliophile Kleinod wurde mit einem Aufwand angefertigt, der einem König gebührt.
Es ist ein Codex Aureus: Die 44 Blätter aus feinstem Kalbspergament im Format 15 x 12 cm sind durchgehend in Gold auf Purpurgrund geschrieben. Das kostbare Gold fand auch Verwendung in den 25 mehrzeiligen Goldinitialen und den zahlreichen kleinen Initialen am Anfang jedes Satzes.
Drei Porträts des künftigen Kaisers Otto III.
Beeindruckend sind die fünf ganzseitigen Bildkompositionen, mit denen der Maler das Königsgebetbuch schmückte. Die goldgerahmten Miniaturen vermitteln dem heutigen Betrachter eine tiefe Einsicht in das Herrschaftsverständnis der ottonischen Kaiser. Der Empfänger der Handschrift ist in gleich drei Miniaturen dargestellt. Dem jungen Herrscher – Otto war keine zwölf Jahre alt, als ihm das Buch überreicht wurde – sollten in den Darstellungen die hohen Ideale seines auf Christus bezogenen Herrschertums vor Augen geführt werden. Das Königsgebetbuch ist damit nicht nur Andachtsbuch, sondern auch Leitfaden für einen angehenden Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.
Ein Geschenk der Kaiserin Theophanu?
Wer hat nun den Auftrag erteilt, das exquisite Gebetbuch anzufertigen?
Das Königsgebetbuch für Otto III. ist in den Jahren zwischen der Krönung des dreijährigen Ottos zum König 983 und dem Tod seiner Mutter, der byzantinischen Prinzessin Theophanu, im Jahre 991 entstanden. Sein Charakter als eine Art Fürstenspiegel – also ein Buch, in dem Otto das Idealbild eines von Gott berufenen Königs vor Augen geführt wird – lässt vermuten, dass es entweder Theophanu persönlich war, die das Buch für ihren Sohn bestellt hat, oder aber Erzbischof Willigis von Mainz, ihr treuer Berater. Theophanu oder Willigis waren es demnach auch, die die Texte auswählten, die Otto zur Einübung der Haltung dienen sollten, die von einem christlichen König erwartet wurde.
Das kurze, aber dramatische Leben Ottos III.
Otto III. wurde im Jahre 980 als Sohn Ottos II. und der byzantinischen Prinzessin Theophanu geboren. Um die Thronfolge zu sichern, wurde das Kind schon Weihnachten 983 auf Wunsch des Vaters in Aachen zum König gesalbt. Noch während der Feierlichkeiten erreichte Aachen die Nachricht, dass Otto II. in Rom verstorben sei. Ein dramatisches Ereignis – war vielleicht Politik im Spiel, dass die Trauerbotschaft erst nach der vollzogenen Königssalbung eintraf?
Theophanu blieb wenig Zeit zu trauern; sie wehrte selbstbewusst die Thronansprüche Heinrichs des Zänkers ab und übernahm selber die Regentschaft für ihren Sohn, beraten von Erzbischof Willigis von Mainz. Mit elf Jahren übernahm Otto selbst die Herrschaft.
Während eines Italienzuges inthronisierte er seinen Vetter Brun als Papst Gregor V., der ihn im Jahre 997 in Rom zum Kaiser krönte. Vorbild des vielseitig gebildeten Otto war Karl der Große, aber auch das mächtige Kaisertum im Osten: Byzanz. Otto sah sich als weltliche Spitze des abendländischen Kaisertums und als Schutzherr über Rom und den Papst. Mit nur 21 Jahren verstarb Otto plötzlich im Januar 1002 an Malaria. Sein großes Werk – die Erneuerung des Römischen Reiches – konnte nicht mehr ausgeführt werden.
Eine der bedeutendsten Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek in München
Als einziges erhaltenes privates Königsbebetbuch aus ottonischer Zeit ist diese Handschrift ein Geschichts- und Buchdenkmal von allerhöchstem Rang. Der Erwerb für die Bayerische Staatsbibliothek München im Jahr 1994 wurde zu Recht als bedeutendste Erwerbung seit der Säkularisation gewürdigt. Mit der Faksimile-Edition wird dieses einmalige kulturelle Erbe nun auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Die handgefertigte Buchkassette mit dem Elfenbeinreplikat
Der ursprüngliche Bucheinband des Königsgebetbuchs für Otto III. ist heute verloren. Vorbild für den Faksimileband ist ein byzantinisches Seidengewebe (Museum August Kestner, Hannover), das dem Einband des ottonischen Abba-Codex nachempfunden wurde. Faksimileband und Kommentar werden in einer edlen Lederkassette mit dem Replikat zweier byzantinischer Elfenbeintafeln aus dem Aachener Domschatz präsentiert. Die beiden Schmucktafeln waren im 10. Jh. zunächst Teil eines Klappaltärchens und wurden später in einen Buchdeckel integriert.
Der wissenschaftliche Kommentar
Für den wissenschaftlichen Kommentarband zum Königsgebetbuch für Otto III. wurden mit Dr. Elisabeth Klemm und Dr. Hermann Hauke zwei ausgewiesene Experten für die ottonische Kunst- und Bücherwelt gewonnen. Die Miniaturen werden beschrieben und gedeutet, anhand der transkribierten und übersetzten Gebetstexte taucht der heutige Leser unmittelbar in die geistige Welt des jungen Herrschers ein. In einem eigenen Kapitel widmet sich Dr. Georg Minkenberg der kunstgeschichtlichen Bedeutung der beiden Elfenbeintalfeln auf der Schmuckkassette.