Der reich mit Gold ausgestattete Codex vom Beginn des 15. Jahrhunderts diente als Bildkommentar zur Heiligen Schrift. Im ungewöhnlichen Querformat sind prachtvoll vergoldete Szenen des Neuen Testaments flankiert von erläuternden Abbildungen aus dem Alten Testament.
Ein Meisterwerk Von Aussergewöhnlichem Format
Ein Meisterwerk des Spätmittelalters
Die Goldene Bilderbibel ist eine ganz außergewöhnliche mittelalterliche Bibelhandschrift, ein fürstlicher Bildkommentar zur Heiligen Schrift. Sie entstand in den ersten Jahren des 15. Jahrhunderts, in einer Zeit, da sich in Den Haag der Hof des Grafen Albrecht von Bayern-Holland (1389–1404) und seiner zweiten Frau Margaretha von Kleve zu einem neuen, eigenständigen Zentrum der Künste entwickelte.
Der Buchmaler, der dieses herrliche Werk schuf, war vermutlich derselbe Meister, der das Stundenbuch der Margaretha illuminierte; die stilistischen Gemeinsamkeiten sind offensichtlich. Die hohe Qualität der Miniaturen und die prächtige Ausstattung lassen jedenfalls einen fürstlichen Auftraggeber vermuten.
Wundersame Geschichte
Der Verbleib der Handschrift in den ersten dreieinhalb Jahrhunderten nach ihrer Entstehung ist heute noch rätselhaft. Nur ein einziger Eintrag, vermutlich aus dem 16. Jahrhundert, bietet einen Anhaltspunkt. Dieser lautet: alexander Ratclyff boke. Diese Familie ist in Lancastershire, England, seit dem Spätmittelalter nachweisbar. Im 18. Jahrhundert schließlich schenkte ein Nachkomme der Ratclyffes die Handschrift dem englischen König Georg III.
Der heutige Einband des Codex, rotes Maroquin mit Goldprägung und einem Vorsatz aus roter Moiréseide, stammt aus demselben Jahrhundert. 1823 wurde die Bibliothek Georgs III. von seinem Sohn dem Staat geschenkt und dem British Museum zugesprochen.
Einzigartiges Format
Eine Biblia Pauperum hatte hauptsächlich die Aufgabe, den inneren Zusammenhang zwischen Altem und Neuem Testament in Bild und Wort überzeugend herzustellen, dies vor allem im Hinblick auf die Widerlegung des häretischen Gedankenguts der Katharer und anderer ketzerischer Bewegungen des ausgehenden Mittelalters.
Die Handschrift hatte früher einmal ein anderes Format: Die heute langgezogenen Seiten waren zweifach gefaltet, so dass die Handschrift wie ein normaler Codex aussah; erst wenn der Benutzer das Buch aufschlug und ein Blatt entfaltete, präsentierte sich ihm die betreffende Bildergruppe so wie heute.
Eine Gold-Handschrift als Armenbibel?
Es erscheint paradox, eine solch prachtvolle, reich mit Gold ausgestattete Handschrift als »Armenbibel« zu bezeichnen. Denn selbstverständlich wurde dieses Meisterwerk keineswegs für das gemeine Volk früherer Jahrhunderte geschaffen, das meist nicht lesen konnte. Zwar hatte die Kirche schon früh den Wert religiöser Bilder mit dem Argument erkannt, Bilder seien die »Bücher der Laien«.
Im Mittelalter waren allerdings die großen Bilderzyklen, noch dazu in so vollendeter Ausführung wie unser Exemplar, nie als »Armenbibeln« bezeichnet worden. Dieser Begriff ging vielmehr auf einen Zufall zu Beginn der Erforschung dieser Gattung der Bilderhandschriften zurück.
93 prachtvolle Miniaturen in Gold und Silber
Jede der Seiten ist mit je drei prachtvollen Miniaturen ausgestattet. Die Miniatur in der Mitte zeigt ein Ereignis aus dem Neuen Testament und ist an den vier Ecken von Prophetenbüsten umgeben; die Miniaturen rechts und links stellen Szenen aus dem Alten Testament dar, die als Vorbereitung zur Erfüllung der Botschaft im Neuen Testament galten. Die Miniaturen des anonymen Künstlers begeistern durch intensive Farbwirkung und fortschrittliche Maltechnik.
Die Faksimile-Edition
Die Faksimile-Edition erscheint in einer weltweit streng limitierten Auflage von 980 mit der Hand numerierten Exemplaren. Die 70 Seiten der Handschrift mit insgesamt 93 Miniaturen werden originalgetreu im Format von 17,9 x 38,4 cm wiedergegeben.
Der prachtvolle Einband aus rotem Maroquinleder mit seinem reichen Goldschmuck wurde in aufwendiger Handarbeit hergestellt. Goldschnitt glänzt an allen drei Schnittseiten des Bandes.
Der Kommentarband
Der wissenschaftliche Kommentarband wurde dreisprachig abgefasst (deutsch/französisch/englisch) und bot folgenden Experten Raum zur Präsentation der neuesten Forschungsergebnisse: Janet Bachhouse, British Library, behandelt die Geschichte der Handschrift, Prof. James Marrow, University of Berkeley, bespricht Stil und Ausstattung sowie die Stellung der Handschrift in der Kunstgeschichte, und Prof. Gerhard Schmidt, Universität Wien, befasst sich mit dem Bilderzyklus der Handschrift und seinen kunsthistorischen Beziehungen.