Das letzte und künstlerisch wertvollste Werk Schillings entstand als privates Auftragswerk für einen Berner Beamten und behandelt die Chronik der Stadt Bern von ihren Anfängen bis ins Jahr 1465. Der einzigartige Bilderschmuck in schwungvollen Federzeichnungen zeugt von der gestalterischen und erzählerischen Kraft des Buchmalers.
Die Künstlerische Krönung- Diebold Schillings Letztes Meisterwerk
Das letzte Meisterwerk des großen Chronisten
Von Schillings eigener Hand sind uns drei prächtige Bilderchroniken überliefert: die große Burgunderchronik der sogenannte »Zürcher Schilling«, die den Verlauf des ganzen Krieges der Eidgenossen mit Karl dem Kühnen schildert, die dreibändige Amtliche Berner Chronik und die sogenannte Spiezer Chronik, eine Auftragsarbeit für den Berner Schultheißen Rudolf von Erlach, die zur künstlerischen Krönung von Schillings Werk wurde.
Mit dieser Chronik endet die große Tradition der Berner Chronistik des 15. Jahrhunderts. Zur Familie des Rudolf von Erlach stand Diebold Schilling in besonders guten Beziehungen. Schillings Ehefrau Katharina war sogar Patin eines der Söhne des Rudolf. Dieser wünschte sich ein eigenes Exemplar von Schillings Chronik.
Diese Fassung, die Spiezer Chronik, wurde Schillings letztes Werk: er starb 1486. Die hervorragenden Bilder machen diese Chronik jedoch zum künstlerisch wertvollsten Band seines gesamten Schaffens.
Der Auftraggeber Junker und Ratsherr
Rudolf von Erlach stand auf dem Höhepunkt seiner politischen Laufbahn, als er Diebold Schilling den Auftrag für eine private Berner Chronik gab. Er gehörte zu den führenden Köpfen des Berner Rates. Seine Familie konnte auf eine ruhmreiche Vergangenheit als Ministerialengeschlecht der Grafen von Nidau zurückblicken.
Rudolf wurde 1448 geboren. Er stellte sich im Konflikt Berns mit Burgund auf die Seite seiner Vaterstadt, obwohl er mehrere burgundische Lehen innehatte. Sofort begann auch der steile politische Aufstieg, der ihn an die Spitze der Stadt führte.
Das bestellte Geschichtswerk, das den Stolz auf die ruhmreiche Vergangenheit seiner Familie mit dem Selbstbewusstsein des bernischen Staatswesens verband, war Ausdruck des Lebensgefühls und Denkens von Rudolf von Erlach.
Die Krönung einer Chronistenlaufbahn
Als Diebold Schilling zu Weihnachten 1483 dem Berner Rat die dreibändige Amtliche Berner Chroniküberreichte, dürfte beim Ratsherrn Rudolf von Erlach der Wunsch geweckt worden sein, selbst ein solches Werk zu besitzen. Wenig später nämlich erhielt Schilling den genannten Auftrag.
Der Text der Chronik folgt in Schillings exakter Handschrift den bewährten Vorlagen und führt mit 344 Bildern auf 808 Seiten von den Anfängen der Stadt Bern bis ins Jahr 1465. Verschiedene kleine Kürzungen am Schluss der Chronik lassen die Ungeduld des Schreibers erahnen: Der von Alter und Krankheit gezeichnete Chronist musste sein Werk wohl vorzeitig abschließen.
344 packende Bildkompositionen
Der einzigartige Bilderschmuck macht Schillings letzte Bilderchronik zur Krönung seines umfangreichen Werkes als Geschichtsschreiber. Die schwungvollen Federzeichnungen, welche in vielerlei Abstufungen mit Lasurfarben koloriert sind, haben sich weitgehend von der Kompositionsweise früherer Bilderchroniken gelöst.
Auffällig ist die gestalterische Kraft, mit der es der Zeichner versteht, das Geschehen wirkungsvoll zu inszenieren, Haupt- und Nebenhandlungen aufeinander abzustimmen und Vorder- und Hintergrund miteinander zu verbinden. Oft wird manchmal nur durch ein Fenster im Hintergrund der bezaubernde Ausblick auf eine entfernte Landschaft gewährt, der den dramatischen Ereignissen im Vordergrund einen lyrischen Gegenpol entgegensetzt.
Dem Text entsprechend nimmt die Schilderung des Kriegsgeschehens auch bei den Chronikbildern breiten Raum ein. Mittelpunkt der Chronikbilder sind stets die handelnden Personen, die oft zu zwei einander gegenüberstehenden Gruppen verwoben sind. Proportionen und Körperhaltung der Figuren zeugen von der bemerkenswerten Fähigkeit des Künstlers, die menschliche Anatomie korrekt wiederzugeben.
Die Bildausstattung wurde speziell auf den Auftraggeber Rudolf von Erlach zugeschnitten. Ruhm und Ehre der Familie sollten zum Ausdruck kommen und für Familie und Nachwelt festgehalten werden.
Die Faksimile-Edition
Die Faksimile-Edition erscheint in einer einmaligen, weltweit limitierten Auflage von 980 numerierten Exemplaren. Die 808 Seiten im Format von 39,0 x 28,0 cm mit 344 meist ganzseitigen Bildern werden originalgetreu reproduziert.
In zeitraubender Handarbeit wird auch der Ledereinband mit den Blindprägungen, den Ecken- und Mittelbeschlägen und den zwei metallenen Buchschließen hergestellt. Das Kapitalband wurde wie beim Original nach alter kunsthandwerklicher Art mit der Hand umstochen. Die Doppelblätter wurden auf fünf echte Bünde geheftet.
Der wissenschaftliche Kommentarband
Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschungen, die aus Anlass der Faksimilierung der Handschrift durchgeführt worden sind, erschließen sich aus dem Kommentarband, der insgesamt 600 Seiten umfasst und auch eine Edition des gesamten Textes beinhaltet.
Folgende namhafte Experten nahmen sich der Handschrift an: Dr. Urs M. Zahnd, Erwin Oberholzer, Florence Darbre, Dr. Christoph v. Steiger, Prof. Dr. Peter Glatthard, Ordinarius für Dialektologie, Universität Bern, Dr. Lieselotte E. Saurma-Jeltsch, Peter Kaiser, Dr. Kathrin Tremp-Utz und Vinzenz Bartlome.