Reich ausgestattet mit Miniaturen auf Goldgrund, mit Gold und Silber verziert, ist die Prachthandschrift der einzige Apokalypse-Bilderzyklus der ottonischen Buchmalerei. Das Werk entstand zu Beginn des 11. Jahrhunderts im Auftrag Heinrichs II.
Die Faszination der Apokalypse
Apokalypsen sind Texte, die Visionen und Weissagungen vom kommenden Weltuntergang, meist verbunden mit der Idee eines Weltgerichts und der göttlichen Erneuerung der Welt, zum Thema haben. Ihre verschlüsselte Sprache und die rätselhaften Bilder haben die Menschen bis heute einerseits fasziniert und andererseits befremdet.
Vor annähernd 1000 Jahren, als apokalyptische Visionen in Europa weit verbreitet waren und ihre Auslegungen viel Beachtung fanden, ließ das ottonische Herrscherhaus in einem der besten Skriptorien des Reiches, auf der Reichenau, eine Prachthandschrift nach dem Text der Offenbarung des Johannes anfertigen.
Reichenauer Buchmalerei in höchster Vollendung
Die Bamberger Apokalypse zählt zu den großartigsten Bilderhandschriften des Mittelalters und ist gleichzeitig der einzige Apokalypse-Bilderzyklus, den die ottonische Buchmalerei hervorgebracht hat. Im künstlerisch führenden Skriptorium des Reiches wurde die Handschrift mit kaiserlicher Pracht ausgestattet: 57 Miniaturen auf Goldgrund und über 100 goldene Initialen schmücken 106 Blätter.
Im Anschluss an die Offenbarung des Johannes, das letzte Buch des Neuen Testaments, enthält die Prachthandschrift zusätzlich ein reich ausgestattetes Evangelistar. Darin stehen die in der Liturgie benötigten Lesungen aus den Evangelien geschrieben.
Rätsel um die Auftraggeber
Während man den Entstehungszeitraum der Handschrift recht genau auf die Jahre zwischen 1000 und spätestens 1020 eingrenzen kann, herrscht in der Forschung bis heute Unklarheit über die Auftraggeberschaft. Die Vermutung liegt nahe, dass die Bamberger Apokalypse noch von Otto III. (†1002) in Auftrag gegeben wurde.
Nach dem unerwartet frühen Tod des Kaisers mit nur 21 Jahren verblieb der Codex zunächst unvollendet im Reichenauer Skriptorium, ehe dessen Nachfolger Heinrich II. die Handschrift vollenden ließ.
Ein kaiserliches Weihegeschenk
Gesichert ist jedenfalls, dass Heinrich II. die Handschrift 1020 anlässlich der Weihe des Kollegiatstifts St. Stephan in Bamberg stiftete. Die ältere Literatur überliefert die folgende Inschrift auf dem ursprünglichen, heute nicht mehr erhaltenen Einband: HENRIC ET KUNIGUNT HAEC TIBI MUNERA PROMUNT (»Heinrich und Kunigunde vermachen Dir diese Geschenke«). Damit wird die Schenkung der Bamberger Apokalypse durch Kaiser Heinrich II. und seine Gattin Kunigunde eindeutig belegt.
Das Bistum Bamberg wurde 1007 von Heinrich II. gestiftet und erblühte dank kaiserlicher Unterstützung zu einem wichtigen politischen, künstlerischen und religiösen Zentrum des Reiches.
Miniaturen voll expressiver Kraft
Gold und Silber in den zahlreichen ganzseitigen Miniaturen und den Initialen schmücken in verschwenderischer Pracht die Seiten der Bamberger Apokalypse. Früh entwickelt die Reichenauer Buchmalerei ihren eigenen unverwechselbaren Charakter, der in den 57 großformatigen Miniaturen zu schönster Geltung kommt. Der Wunsch nach gesteigertem Ausdruck geht einher mit der Reduktion von Räumlichkeit und Plastizität. Leuchtende Farbflächen werden von schwungvollen Linien deutlich begrenzt. Eine faszinierende Überhöhung von Form und Bewegung erlaubt die Darstellung religiöser Entrücktheit in einer Intensität, die auch den heutigen Betrachter nicht unberührt lässt. Diese Tendenz zur Spannung, zur Expressivität von Gestik und Mimik, zum Darstellen geistiger Beziehungen überhaupt ist eine der bedeutendsten Leistungen der Reichenauer Buchmalerei.
103 goldene Initialen
Neben den prächtigen, meist ganzseitigen Miniaturen ist die Bamberger Apokalypse mit 103 goldenen Initialen geschmückt. Meist sind die goldenen Buchstabenkörper mit Mennigefarbe konturiert. Der von der Buchstabenform umschlossene Raum zeigt auf Purpur, blauem oder grünem Grund goldenes Rankenwerk, das in kleeblattartige Gebilde und in die für die Reichenauer Kunst so typischen Pfeilspitzen ausläuft.
Auffällig ist der regelmäßige Wechsel zwischen unzialer und kapitaler Schreibweise der E-Initialen im Apokalypseteil. Da die meisten Sätze dort mit »Et« beginnen, konnte der Schreiber durch diesen Einfall die Präsentation zusätzlich auflockern.
Die Faksimile-Edition
In einer weltweit limitierten Auflage von 980 Exemplaren wird jetzt die vollständige Handschrift, Apokalypse und Evangelistar, erstmals mit allen 57 Miniaturen auf 106 Blättern im Originalformat von ca. 29,5 x 20,4 cm detailgetreu faksimiliert. Der kostbare Einband aus roter Seide ist einer anderen Handschrift aus dem Besitz Heinrichs II. nachempfunden und wurde extra für diese Faksimile-Editon in der traditionellen Technik nachgewebt.
Der Kommentarband
Im begleitenden Kommentarband erschließen Spezialisten die Geschichte der Handschrift mit den Rätseln um die Auftraggeberschaft und untersuchen die verschiedenen ikonographischen Traditionen in der Apokalypse- und Evangelistarillustration. Eine theologische und philologische Aufarbeitung des Apokalypsetextes soll darüberhinaus den Zugang zu diesem singulären Werk erleichtern.
Der Kommentarband wird herausgegeben von Dr. Bernhard Schemmel und Dr. Gude Suckale-Redlefsen. Weitere Beiträge stammen von Dr. Renate Baumgärtel-Fleischmann, Dr. AvinoamShalem, Prof. Dr. Yves Christe, Prof. Dr. Martina Pippal, Prof. Dr. Bernd Schneidmüller, Dr. Peter Wind, PD Dr. Peter Wünsche und Prof. Dr. Peter Klein.
Faksimile und Kommentarband werden zum Schutz in einem Schuber aus Acrylglas ausgeliefert.